PÄPSTLICHE  AUSZEICHNUNG:

 

Komturkreuz des päpstlichen Silvesterordens für die Arbeit der Grande Dame
der modernen Sektendiskriminierung im deutschsprachigen Raum
von Ulli Taritsch

 

 


Die Meldung der KAP vom 11.11.01 läßt Mitglieder religiöser Minderheiten betroffen aufhorchen: Frau Dr. Friederike Valentin, die Gründerin und langjährige Leiterin des Sektenreferates der Erzdiözese Wien, wird für ihre wie es heißt: "geleistete Pionierarbeit für einen differenzierten und von hoher Sachkenntnis geprägten Umgang der Kirche mit Sekten und neuen religiösen Bewegungen" ausgezeichnet. Weiters heißt es in dieser Meldung: "Sie habe bei aller kritischen Auseinandersetzung mit diesen Gruppierungen immer die Menschen dahinter gesehen und eine faire Beurteilung gesucht." Kardinal Christoph Schönborn betonte in seiner Festrede auch, sie habe die Gabe der "Unterscheidung der Geister" gepflegt.


 

 

Was soll man dazu sagen?


Sicherlich kann man einer Frau, die in ihrem Berufsleben viel gearbeitet und ihre Ziele so vehement verfolgt hat, eine Ehrung zuteil werden lassen. Allein ihr Arbeitspensum ist beeindruckend. Und was die Qualität ihrer Arbeit betrifft, hat sie aus der Sicht der Kirche, die sich als Dank veranlasst sieht, sie mit dem Komturkreuz des päpstlichen Silvesterordens auszuzeichnen, offenbar eine pionierhafte Leistung erbracht. Das ist die eine Seite. Aus der Sicht religiöser Minderheiten hat sie aber leider oft eine tiefe Verletzung, ja Kränkung religiöser Gefühle bewirkt und sozusagen unter dem Motto: "Sekten sind immer nur die anderen" einen regelrechten, von der Kirchenmacht unterstützten Kreuzzug gegen sie geführt. Mit Hilfe ihrer Argumentationslinien und Beurteilungsmuster wurden und werden noch heute tiefe Keile des Missverständnisses und Misstrauens zwischen Eltern und Kinder (die einer neuen religiösen Bewegung beigetreten sind) Lehrer und Schüler, anerkannten Kirchen und neuen religiösen Bewegungen, ja sogar Staat und Religionsgemeinschaften getrieben, die oft einer jahrzehntelangen Heilung bedurften und bedürfen. Und dass sie, wie es im Bericht heißt: "bei aller kritischen Auseinandersetzung mit diesen Gruppierungen immer den Menschen dahinter gesehen und eine faire Beurteilung gesucht habe", empfinden zahlreiche Betroffene (sowohl Gruppen als auch Privatpersonen) als Schlag ins Gesicht.

 

Nun ist bekannt, dass der Umgang der Kirche mit Andersdenkenden und neuen religiösen Bewegungen die Geschichte herauf ein durchgehendes, in allen Farben schillerndes Problemfeld für sich war und daran scheint sich leider außer einer neuen Methodik auch heute nicht viel geändert zu haben. Frau Dr. Valentin hat mit deutlich erkennbarer Zielstrebigkeit die mittlerweile auch in der Kirche verpönten Methoden der Verfolgung Andersgläubiger in der Vergangenheit (wie Folter, Hexenverbrennung....) erfolgreich in zeitgenössische Methoden der Stigmatisierung und der Rufschändung umgewandelt. Dafür hat sie scheinbar auch diese Auszeichnung - Komturkreuz des päpstlichen Silvesterordens - verliehen bekommen, die ihr immerhin der höchste Würdenträger der Kirche in Österreich, Kardinal Christoph Schönborn, in Anwesenheit von Kardinal Franz König überreicht hat.

 

Zur Geschichte des Silvesterordens:

 

Angeblich von Papst Silvester I.  (Papst von 314-335) als Orden vom "Goldenen Sporn" gestiftet, aber erst im 16. Jahrhundert als päpstliches Milizabzeichen entstanden. Papst Gregor XVI. wandelte den Orden 1841 in den Silvesterorden um. 1905 trennte Papst Pius IX. den Orden vom Goldenen Sporn wieder vom Silvesterorden ab. Seit dieser Zeit ist der Silvesterorden ein militärischer und ziviler Verdienstorden mit drei Klassen.

Frau Dr. Valentin bekam das Komturkreuz (zu deutsch: Kommandeurkreuz) dieses Silvesterordens überreicht, wurde also sozusagen im Ruhestand in den Befehlsgrad eines Kommandanten erhoben. Die Kirche muss sich bei der Auswahl gerade dieser Auszeichnung ja etwas gedacht haben.

 

Zur "Unterscheidung der Geister"

 

Zahlreiche von Frau Dr. Valentin verfasste Schriften, Einschätzungen und Bücher über neue religiöse Bewegungen (über deren Glaubensinhalte und deren Praxis) wurden in mehrmaligen Auflagen gedruckt und im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet. Sie dienen heute vielen Sektenexperten und Informationssuchenden in Kirche, Staat und Bildungseinrichtungen als "klassische" Informationsquelle. Aber leider werden diese von oft peinlichen Einseitigkeiten geprägten Schriftquellen nur allzu gerne unhinterfragt zitiert und fließen ungeprüft in Beschreibungen, Aufklärungsschriften und Expertisen auch von staatlicher Seite ein (siehe die Literaturlisten und Quellenangaben in derartigen Veröffentlichungen). Eine äußerst fragwürdige Praxis, wenn man bedenkt, dass genau diese Schriften einen wesentlichen Beitrag zum heute üblichen Verständnis des stigmatisierenden und vielerorts als menschenverachtend und menschenrechtsverletzend empfundenen Begriffes "Sekte" geleistet haben. Frau Dr. Valentin hat mit ihren Schriften auch entscheidend dazu beigetragen den Weg für staatlich sanktionierte und finanzierte Diskriminierung vorzubereiten (Sektenstelle) und war nach Dr. Kohlhofer federführende Geheimautorin der Sektenbroschüre des Bundesministeriums: Sekten - Wissen schützt. Wenn mit der von Kardinal Schönborn und von Festredner Hempelmann hervorgehobenen "Unterscheidung der Geister" gemeint ist, dass es in dieser Beurteilung immer die Kirchen sind, die richtig liegen und daher die Sekten immer nur die anderen sein können, dann hat Frau Dr. Valentin das sicherlich sehr eindrucksvoll mit ihrer Arbeit untermauert. Ihr Beitrag einen schier unüberbrückbaren Trennungsgraben zwischen Kirchen und Sekten zu ziehen ist unübersehbar. Die Chance als Vertreterin der älteren (und reiferen) Glaubensgemeinschaft mit den neuen und jungen Glaubensbewegungen in einen konstruktiven Dialog einzutreten hat sie aber nicht nur selbst versäumt, sondern auch für andere blockiert.

 

Ein Problematisches Zeugnis für die Kirche


Die Verleihung des Komturkreuzes (Kommandantenkreuzes) ausgerechnet dieses Ordens mag wie gesagt bezeichnend für ihre vom Feindbild "Sekte" geblendete Arbeit sein, stellt aber auch der Kirche ein problematisches Zeugnis aus: Warum haben weder Kardinal König noch Kardinal Groer, ihre obersten Vorgesetzten, sie nicht klarer angewiesen statt der Trennung, Ausgrenzung und Stigmatisierung den "Dialog", ein in der Kirche sehr gut bekanntes Mittel, zu suchen und zu pflegen? Mißt man ihr "Aufklärungswerk" am christlichen Grundprinzip der Nächstenliebe und an den heute in den meisten Ländern der Welt festgeschriebenen Menschenrechten, so kann dieses nur schwer als Glanzstück oder gar als nachahmenswertes christliches Vorbild angesehen werden. Man sollte sich in diesem Zusammenhang vielleicht fragen: Wie würde Jesus, der zu den Pharisäern, die im Begriffe waren ihren Glauben zu verteidigen, indem sie eine Ehebrecherin steinigen wollten, sagte: "Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein", die einzelnen heute als "Sekte" stigmatisierten Gruppen beurteilen? Wie in Joh. 19:7 (Apg.24:5) berichtet wird, wurde auch er, Jesus, und seine Nachfolger als Sektierer verfolgt und schließlich mit der Berufung auf ein Anti-Sektengesetz hingerrichtet. Würde er heute den von Selbstgerechtheit geprägten Beurteilungsmustern und -kriterien von Frau Dr. Valentin folgen oder würde er anregen: "Liebet eure Feinde, verstoßt sie nicht, sondern sucht den konstruktiven Dialog mit ihnen und seid nicht zu stolz und zu überheblich, euch von guten Aspekten aus deren Glaubensleben inspirieren zu lassen, sucht das Gute in ihnen und zeigt ihnen auf diese Weise, wie sie das Gute in euch suchen und finden können, geht aufeinander zu und arbeitet auf einen Frieden hin, indem ihr Wege der Aussöhnung und des Zusammenlebens sucht. Wenn es euch ein ernsthaftes Anliegen ist, so werdet ihr diese Wege finden. Und denkt daran: Auch eure Feinde sind meine Kinder und ich kann nicht glücklich sein, solange sich meine Kinder bekriegen und sich und mich dadurch unglücklich machen"?

 

Schlussfolgerung

 

Jeder Mann und jede Frau, ob Experte oder Auskunftsuchender, ist gut beraten, die oft von einseitiger Feindbildmentalität geprägten Beurteilungen und Einschätzungen von Frau Dr. Valentin besonders was die Glaubensinhalte und die Praxis der einzelnen neuen Gruppierungen betrifft, selbst zu prüfen und diese nicht unhinterfragt zu übernehmen. Sonst mag sich bedauerlicher Weise vielleicht eines Tages herausstellen, dass auch die eigene Einschätzung und Beurteilung der einen oder anderen Gruppe nicht auf dem festen Grund der Tatsachen, sondern vielmehr auf haltlosem Sand aus den Argumentationslinien und Beurteilungsmustern von Frau Dr. Valentins Werken gebaut ist.

 

Ulli Taritsch


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