PETER2.gif (8324 Byte)  Eine kritische Analyse:

Neuauflage der Anti-Sektenbroschüre

"Wissen schützt"

herausgegeben vom Familienministerium (BMUJF)


Sehr geehrte Damen/Herren,

das Familienministerium (jetzt Ministerium f. Soziale Sicherheit & Generationen) und das Unterrichtsministerium verbreiten bundesweit die Neuauflage der Broschüre "Wissen schützt". Es wird erwartet, dass Schulen und öffentliche Ämter diese Publikation als Lehr- und Aufklärungshilfe bezüglich religiöser Minderheiten verwenden. Der Minderheitenschutz (wichtige Säule der Demokratie) wird vom unserem Staat nicht nur ignoriert. Die Tatsache, dass sich hierzulande sogar Bundesministerien dazu hinreissen lassen "Informationskampagnen" gegen religiöse Minderheiten zu initiieren, ohne vorher die dafür notwendigen Recherchen anzustellen und mit den Betroffenen zu sprechen, ist sehr bedenklich. Sie erinnert uns an die Methoden, die man im ausgehenden 20. Jahrhundert eigentlich als Relikte längst vergangener Epochen gewähnt hat.

Im Sinne von Art. 18 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung hat
FOREF nach Gesprächen mit Mitgliedern verschiedener Glaubensgemeinschaften folgende Analyse der Broschüre für Sie verfasst:

1. VERFASSUNGSWIDRIG
Die österreichische Verfassung garantiert Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle Staatsbürger. Es ist absolut nicht die Aufgabe des Staates, zu bewerten, welche Religion "gut" oder "schlecht" ist. Genau das passiert jedoch mit dieser "Sektenbroschüre". Religiöse Minderheiten befürchten, dass diese Publikation eine Art "Judenstern"-Funktion hat und damit eine Diskriminierung von SchülerInnen aus solchen Glaubensgemeinschaften augelöst wird.

2. UNSACHLICH
Der Inhalt der Broschüre hält nicht, was der Titel verspricht. Wenig Wissen und viel Meinung wird darin vermittelt. Das überrascht jedoch nicht, wenn man weiß, dass keine der darin angeführten Religionsgemeinschaften zwecks Recherchen vom BMUJF kontaktiert wurden. Erst nach intensiver Kritik seitens der Religionsgemeinschaften wurden einige "Irrtümer" in der Neuauflage beseitigt. Diese Vorgangsweise erinnert an eine "geistige Cowboymentalität" (zuerst schießen, dann Fragen stellen) und zeigt eine denkbar schlechte Konfliktbewältigungskultur unserer Politiker: Man spricht nicht miteinander, sondern übereinander.

3. GEGEN DAS GLEICHHEITSPRINZIP
Viele Glaubensgemeinschaften sind angeführt, jedoch sämtliche "Sekten" innerhalb der Großkirchen (Opus Dei, Engelwerk, etc.) sowie die evangelikalen Gruppierungen bleiben unerwähnt. Nach welchen Kriterien wird hier kategorisiert? Diese Vorgangsweise unserer "Volksvertreter" löst keine Probleme, trägt aber zur Verbreitung einer feindseligen und konfliktträchtigen Atmosphäre hierzulande bei.

4. SATANISTEN NICHT ANGEFÜHRT
Gemäß den Berichten der Bundespolizeidirektion gab es gegen Satanistengrüppchen belastendes Material, das strafrechtlich relevant war. Neue religiöse Bewegungen ("Sekten") sind hier in keinster Weise auffällig. Warum sind aber satanistische Gruppen in dieser Broschüre nicht angeführt? Und warum wird hier vor Religionsgemeinschaften gewarnt, die sich keiner Gesetzesvergehen schuldig gemacht haben?

5. SCHLUSSBERICHT DER BONNER ENQUETEKOMMISSION IGNORIERT
Eine von der deutschen Bundesregierung eingesetzte Enquete-Kommission hat Mitte letzten Jahres ihre Arbeit über sog. Sekten und Psychogruppen abgeschlossen. Im Schlussbericht wurde in einer offiziellen Presseaussendung Entwarnung gegeben.

FAZIT: Sekten stellen keine wesentliche Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Sie ruft ausserdem zu einer toleranteren Haltung gegenüber religiösen Minderheiten auf und hat sogar den positiven Einfluss, den viele dieser Gruppierungen auf die moderne Gesellschaft haben können, hervorgehoben. Weiters wurde angeregt, in Zukunft den abwertenden, negativenSammelbegriff "Sekte" nicht mehr zu verwenden. Leider hat das österreichische Familienministerium in seiner "Sektenbroschüre" nichts von diesen Erkenntnissen berücksichtigt.

6. SERIÖSE STUDIEN IGNORIERT
Die Resultate seriöser Studien, wie zum Beispiel die "Wiener Studie", wurden in dieser Publikation völlig ignoriert. Man fragt sich warum!

7. AUTOREN ANONYM
Die Identität der Autoren von "Wissen schützt" wird in beiden Ausgaben der Öffentlichkeit vorenthalten. Warum?

8. ZEUGEN JEHOVAHS TROTZ TEILANERKENNUNG MITEINBEZOGEN
Trotz der erlangten Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft im Rahmen des neuen "Anerkennungsgesetzes" (vom Verfassungsexperten DDr. Heinz Mayer als "Aberkennungsgesetz" kritisiert), wurden die Zeugen Jehovahs (über 20 000 Mitglieder in Österreich) auch diesmal wieder vom Familienministerium in der Anti-Sekten Broschüre erwähnt und angegriffen.

9. VERHETZUNG
In der Broschüre werden unter der Rubrik: "Mögliche Konsequenzen für Individuen und Gesellschaft" (S.49-50) in 21 Stichpunkten Konfliktpotentiale aufgezeigt, die in Berührung mit "Sekten" auftreten "können - aber nicht müssen". Diese Punkte sind grösstenteils hypothetischer Natur, widersprechen den Resultaten seriöser Studien und können in einem Worte zusammengefasst werden: Angstmache !!! Der FOREF Redaktion sind Fälle von Diskriminierung (seitens von Mitschülern und auch durch Lehrkräfte) von Schülern, deren Eltern zu religiösen Minderheiten gehören, bekannt. Staatlich sanktionierte (und produzierte) Diskriminierung von Religionsgemeinschaften ist keine Hilfe für Lehrer und Schüler. Vielmehr schafft es Konflikte zwischen Lehrern, Schülern und Familien.

10. FRAGWÜRDIGE QUELLEN
Quellenangaben und Buchtipps (Anhang 1: Weiterführende Literatur) stammen zu über 80% aus dem apologetisch-inquisitorischen Lager der Großkirchen. Außerdem wird ein Buch der amerikanischen Antikult-"Psychologin" Margaret Singer empfohlen, die wegen Unprofessionalität und Befangenheit schon seit Jahren von US-Gerichten nicht mehr als Beraterin herangezogen wird.

11. SCHLECHT FÜR ÖSTERREICH
Dr. Bartenstein, der als Initiator von "Wissen schützt" zu sehen ist, hat damit unserer Nation einen "Bärendienst" erwiesen. Er hat nicht nur viele brave österreichische Staatsbürger angegriffen, die sich täglich bemühen ein rechtschaffenes und tugendhaftes Leben zu führen. Indirekt hat er auch deren Glaubensbrüder und -schwestern im Ausland verunglimpft, die in vielen Fällen einer im jeweiligen Land anerkannten und angesehenen Glaubensgemeinschaft angehören. Ein Beispiel dafür ist die buddhistische Laienbewegung "Soka Gakkai"(S. 47), die in Japan hohes Ansehen genießt und dort sogar Spitzenpolitiker zu ihren Anhängern zählt. Repräsentanten dieser Religion (über 12 Mill. Mitglieder) sind nicht wenig verwundert über die Inquisitionspolitik des österreichischen Familienministeriums.

Nicht zuletzt ist die Sektenphobie unserer Politiker der Grund dafür, dass Österreich dieses Jahr scharfe Kritik von internationalen Menschenrechtsorganisationen, sowie von der OSZE und dem US-Statedepartment erntete (nicht Haider alleine ist schuld an unserem schlechten Image). Den Rügen aus aller Welt zum Trotz verstößt das Familienministerium mit dieser Neuauflage der "Sektenbroschüre" gegen alle fünf Forderungen im OSZE-99 Schlussdokument.

12. VERSCHWENDUNG ÖFFENTLICHER GELDER
Es bleibt zu hoffen, dass Pädagogen sehr bald erkennen werden, dass diese Publikation (die unserem Staat zweifellos wieder einige Millionen Schilling kostet) wenig zur Lösung von Konflikten beitragen wird. Im Gegenteil: sie wird dort, wo nur imaginäre Probleme existieren, wirkliche schaffen. Schlechtestenfalls   wird sie zur Intensivierung der Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit), der geistigen Apartheid in unserem Lande und zu noch mehr Diskriminierung von Mitgliedern religiöser Minderheiten beitragen. Bestenfalls wird die Broschüre im Papierkorb des Angeschriebenen landen. Hoffen wir also für das Beste!


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