Kirche ist menschenfreundlich.
Sekte ist menschenfeindlich.
So einfach ist das!

 

Die „Kardinalsantwort“ auf die Frage nach dem
Unterschied zwischen Kirche und Sekte?

von Hannes Roland
 


 

Kardinal Schönborn wird im Nachrichtenmagazin NEWS vom 23. August 2007 mit einer Aussage zitiert, die aufhorchen lässt. In einem Kommentar zu seinem letzten Satz aus seinem jüngsten Buch, findet er eine klare Unterscheidung zwischen Kirche und Sekte.


NEWS,  Nr. 34, Seite 27:

Schönborn: Kontemplativ und selbstkritisch
„Der letzte Satz in seinem jüngsten Buch hat es in sich: „Dass die Kirche unvollkommen ist, ist für mich ein großes Glück, weil ich dadurch in ihr Platz habe“, so der Kardinal. Eindrucksvoll seine Erläuterung dazu für NEWS: „Was würden wir mit einer fehlerlosen Kirche machen? In der hätte kein Mensch Platz. Das wäre doch eine Sekte. Menschen, die miteinander einen Weg gehen, müssen eine Gemeinschaft des Verzeihens und der Hoffnung sein, nicht im Gefängnis einer ohnehin unerreichbaren Vollkommenheit eingesperrt sein.“

 

Diese Erläuterung findet nicht nur NEWS „eindrucksvoll“. Sie zeigt deutlich, auf welch zweifelhaft fruchtbaren Boden die Sektenaufklärung des erzdiözeseeigenen Referats auch bei den Bischöfen gefallen ist, von denen allgemein zurecht angenommen wird, dass sie diejenigen sind, die letztlich die Geister prüfen. Diese kurze Aussage spiegelt in verblüffend prägnanter Form die engstirnige und sektenphobiefördernde Arbeit insbesondere der kirchlichen Sektenaufklärung wieder.

 

Dass Angehörige von Glaubensgruppen, die von der Kirche nach wie vor hartnäckig als Sekte gebrandmarkt werden, keine Menschen sind, wird viele Betroffene – immerhin Mitmenschen aus mehr als 600 in Österreich tätigen Gruppen, die genauso wie andere Beruf und Familie haben und ihre Steuern zahlen - verblüffen.

Was sind sie denn dann? Unmenschen? Nichtmenschen? Ausgestoßene? Anhand welcher Kriterien könnte derartiges festgemacht werden?

Sekten ist dieser Aussage zufolge die Unmenschlichkeit ins Gesicht geschrieben, in Kirchen hingegen ist „menscheln“ publikumswirksam angesagt und erwünscht.

Der Kardinal gibt zusammen mit Barbara Stöckl ein eigenes Buch für „schlamperte Christen“ heraus. Diese dürfen auch mehr oder weniger nach Lust und Laune Fehler machen. Verzeihen ist ihnen jedenfalls gewiss. Was mit Hoffnung gemeint ist, lässt der Kardinal in diesem Zusammenhang undefiniert stehen, jedenfalls aber kann diese nicht Vollkommenheit heißen, denn das menschen- und menschlichkeitserstickende Gefängnis der kategorisch ohnehin unerreichbaren Vollkommenheit bleibt seiner Aussage zufolge vorbehalten, die wie ein Sündenbock direkt und lautstark in die Wüste geschickt werden.

Es mag ironisch klingen, aber sollte ausgerechnet dieses Gedankenbild eine Parallele zur Anfangszeit des Christentums zeichnen, als die Christen auch noch eine Sekte waren und der Völkerapostel Paulus als „Mann der Pest“, als Unruhestifter bei allen Juden in der Welt und als Rädelsführer dieser Nazaräersekte angeklagt wurde? (Apg 24, 5)

Wo Informationen fehlen, wachsen die Gerüchte (Alberto Moravia - it. Schriftsteller).
Und dem Sektenreferat, das die Erzdiözese Wien bereits seit den frühen Fünfzigerjahren unterhält, ist es offenbar gelungen, Gerüchte als seriös klingende Informationen getarnt zu verbreiten. Nüchtern zurückblickend zeigt sich, dass in der Erforschung der einzelnen Gruppen und insbesondere in der öffentlichen Aufklärung grundlegende Mindestnormen nicht eingehalten wurden. Im Gegenteil - sie wurden grob verletzt und sogar verworfen, einerseits essenziell christliche – sowohl die von Jesus aufgetragene Gottesliebe und Nächstenliebe (und wenn man in Sekten schon einen Feind sieht oder sehen will, den Grundsatz der Feindesliebe), als auch insbesondere das 8. der 10 Gebote: "Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten". Anderseits das Recht auf freie Religionsausübung und die Achtung der Menschenwürde wurden/werden hin und wieder verletzt. Schon aus diesem Grund muss die Professionalität der Forscher und Aufklärer des erzbischöflichen Sektenreferats in Frage gestellt werden.

Wenn Dr. Peter Schulte, der Leiter von Kult & Co Tirol, nach 50 Jahren fast ausschließlich kirchlicher Sektenaufklärung in Österreich in seinem Aufsatz Theorie und Praxis staatlicher „Sektenaufklärung“ und die Notwendigkeit zusätzlicher wissenschaftlicher Expertise zu dem Schluss kommt: „Die wissenschaftliche Forschung in Österreich zu Fragen der so genannten Sekten und Psychogruppen ist alles andere als zufriedenstellend, es gibt sie nicht“, dann wirft das unweigerlich die Frage auf: Auf welcher Basis wird in unserem Land seit über einem halben Jahrhundert eigentlich aufgeklärt?


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