Am 26. September 1999 wurde der Wiener Alterzbischof Franz König in Salzburg mit dem "Toleranz-Preis" der "Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste" ausgezeichnet.

Leserbrief an die Kathpress!
von Hannes Roland 


Die Kathpress berichtet im Internet über die Verdienste des Kardinals, die zu dieser Auszeichnung geführt haben.

Nun ist es eine schöne und übliche Praxis einen Preisträger zu ehren und gerade der Alterzbischof von Wien hat sich in seinem Leben um vieles außerordentlich verdient gemacht, auch was die Toleranz betrifft.

Allerdings muss der Vollständigkeit halber auch darauf hingewiesen werden, dass sowohl in die Amtszeit, als auch in den Zuständigkeitsbereich des Preisträgers immerhin die Gründung der Sektenstelle seiner Erzdiözese Wien fällt. Diese Einrichtung hat einen bemerkenswerten Spagat zur Intoleranz geschafft und massgebliche Vorarbeit für die heutigen Formen der diskriminierenden Sektendiskussion geleistet.

Auch nach der Beendigung seiner offiziellen Amtsgeschäfte hat der in Österreich überaus beliebte und weiterhin sehr einflussreiche Alterzbischof niemals wirksam etwas gegen die INTOLERANZ religiösen Minderheiten gegenüber unternommen. Im Gegenteil, in den letzten Jahrzehnten wurde auch und gerade von seiner Kirche der "Sektenstempel" in der heutigen Formgebung entscheidend mitgeprägt. Und selbst als die Regierung mit ihrer Unterstützung eine dazupassende "Stempelfarbe" von besonderer Haltbarkeit und Eindeutigkeit beisteuerte, war kein wirksamer Aufruf des nunmehrigen Toleranzpreisträgers zu mehr Toleranz religiösen Minderheiten gegenüber zu vernehmen. So genügt es heute leider vielen Österreichern die auf diese Weise wohletablierte Bezeichnung "SEKTE" zu verwenden, um über religiöse Minderheiten zu sprechen. Die TOLERANZ allerdings erreicht hier eine äußerst empfindliche Grenze.

Der Intoleranzspagat besteht dabei darin, dass der Stempel "SEKTEN" heute sowohl für den Durchschnittsbürger als auch für das "Fachpersonal" paradoxer Weise aussagt: diese Gruppen sind keine (wirklichen) RELIGIONEN. Sie sind bloß Pseudoreligionen, Weltanschauungsgruppen, Gurubewegungen oder Psychogruppen - Sekten eben. Daher darf man auch in aller Öffentlichkeit über "Religion" sprechen und die vielen religiösen (Noch) Minderheiten dabei einfach elegant heraushalten.

 Nur so kann ich mir erklären, dass die folgenden Zitate, die immerhin aus der Verleihungsfeier des "TOLERANZPREISES" der "Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste" stammen, unwidersprochen und unhinterfragt bleiben konnten.

Ausschnitte aus dem Kathpress-Bericht:

 ...Kardinal König zitierte bei der Podiumsdiskussion die Formulierung des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass es "Pflicht der Bischöfe" sei, "zu den Menschen zu gehen und das Gespräch mit ihnen zu suchen und zu fördern". Der Wiener Alterzbischof erinnerte auch an die Feststellung des Konzils, dass die katholische Kirche "nichts von alledem" ablehnt, was in den anderen Religionen "wahr und heilig ist".

 ...Kardinal König zitierte das Papstwort, wonach die "Herausforderung des Friedens", wie sie sich gegenwärtig jedem menschlichen Gewissen stellt, "die religiösen Differenzen übersteigt".

...Kardinal König verwies auf die Feststellung des deutschen Erwachsenenkatechismus: "In der Haltung der Toleranz gibt der Christ keineswegs die im Glauben erkannte Wahrheit auf, aber er respektiert die Würde der Person des anderen in dessen persönlicher Überzeugung, die er selbst nicht teilt".

 ...Gesprächspartner Kardinal Königs bei der Podiumsdiskussion waren Peter Landesmann für das Judentum und Jukio Matsudo für den Buddhismus. Landesmann erinnerte daran, wie leicht es sei, die "Intoleranz wieder einzupflanzen", da es offenbar so etwas wie eine eingelernte Reaktion gebe, "im Fremden den Feind zu sehen".

 ...Geleitet wurde die Diskussion vom Münchner Religionsphilosophen Prof. Eugen Biser. Der Theologe erinnerte anhand des Jesus-Worts "Wer nicht gegen uns ist, ist für uns" daran, dass die Toleranz eine Wurzel habe, die weit über die Aufklärung in die Anfänge des Christentums zurückreiche. Toleranz werde letztlich durch die Nächstenliebe ermöglicht, unterstrich Biser. Angesichts der Bedrohung durch einen "amorphen Atheismus" gehe es heute darum, eine Zusammenarbeit aller, "die an Gott glauben", herbeizuführen. (Ende des Kathpressberichtes.)

 Nach meinem Ermessen verlieren die Aussagen der ersten drei und des letzten der hier genannten Zitate in Österreich sofort ihre praktische Glaubwürdigkeit, bezieht man die religiösen Minderheiten mitein. Das dazwischenliegende Zitat 4 jedoch wirft einen Lichtstrahl auf eine ganz heimtückische Wurzel der Intoleranz. Die vielfach inkorrekten und apologetischen Anti-Sekten-Publikationen der Erzdiözese des Kardinal König ernähren sich aus dieser Wurzel und zahlreiche Sektenexperten ziehen noch heute ihre Kraft aus ihr.

 Nun hat naturgemäß der Einfluß von so hohen Preisträgern oft eine beachtliche Breitenwirkung. Kardinal König sollte sich daher aus gegebenem Anlass einen kritischen Blick in die Vergangenheit seiner Amtszeit nicht ersparen. Der heutige Toleranzpreisträger sollte die international immer lauter werdende Kritik über mangelnde Toleranz neuen religiösen Bewegungen gegenüber sehr ernst nehmen, denn wie gesagt, zahlreiche Wurzeln reichen immerhin in seine Amtszeit und in seinen damaligen Zuständigkeitsbereich zurück. Ich beziehe mich hier beispielsweise auf die scharfe Kritik wegen "Diskriminierung religiöser Minderheiten in Österreich" im kürzlich von der IHS (International Helsinki Federation for Humanrights) vorgelegten Bericht bei der OSZE Konferenz, die vom 21. - 23. September 1999 in Wien stattfand, sowie den diesjährigen Religious Freedom Report im US State Departement.

 So könnte gerade diese Preisverleihung ein Anlass dafür sein, historische Wurzeln der Intoleranz religiösen Minderheiten gegenüber in Österreich aufzuspüren und auszuräumen, um sie so vor noch mehr Wildwuchs zu bewahren. Der Preisträger sollte sich seines Preises würdig zeigen indem er zur in Österreich blühenden Intoleranz religiösen Minderheiten gegenüber klar Stellung bezieht.


PS.: Könnte mir Ihre Redaktion freundlicherweise auch dabei behilflich sein herauszufinden, woher der zitierte Münchener Religionsphilosoph Prof. Eugen Biser, der immerhin die Diskussion im Rahmen der Preisverleihung leitete, das "Jesus Wort" hat, auf das die "Wurzel der Toleranz" zurückgehen soll? Ich kenne es aus der Bibel nur im gegenteiligen Sinn. In Mt.12:30 (Luk.11:23) heisst es: Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.


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2003: Kardinal König würdigt Sektenexpertin der Erzdiözese Wien Friederike Valentin

Kardinal Franz König erinnerte in seinen Worten an den Begründer des Referates Prälat Rudolf und er strich die wichtige Arbeit der langjährigen Leiterin Friederike Valentin hervor. "Das Referat für Weltanschauungsfragen konnte nur durch das feine Gespür von Frau Doktor Valentin so gut arbeiten," betonte der Alterzbischof. Die Spuren von Friederike Valentin fänden sich überall, "sie ist eine Institution".