DER STANDARD
Dienstag, 3. November 1998, Seite 8
Inland



Fünf Millionen gegen den Endzeit-Wahn


Bartenstein will vor allem Kindern helfen, die Sekten ihrer Eltern zu verlassen

Wien - "Das Sektenproblem ist weder ein Eltern-Kind-Problem noch ein religiöses, sondern ein gesellschaftliches Problem", sagte der neubestellte Leiter der Bundesstelle für Sektenfragen, German Müller, bei seiner Vorstellung am Montag.

Ausgerüstet mit einem Budget von fünf Millionen Schilling soll der 42jährige, aus Kärnten stammende Psychologe ein Vier-Mann-Team zusammenstellen, das ab Anfang Dezember operativ tätig werden wird, erklärte Familienminister Martin Bartenstein.

Ausschlaggebend für die Entscheidung für Müller sei seine langjährige Tätigkeit in der Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren. Ziel der Bundesstelle sei vor allem Vernetzungstätigkeit innerhalb der Prävention. Die Einrichtung geht auf ein im Juli beschlossenes Gesetz zurück.

Schwerpunkte in der Arbeit der Sektenstelle sehen Bartenstein und Müller in der bevorstehenden Jahrtausendwende, die von Sekten mit "Endzeitvisionen" zur Angstmache verwendet werde, sowie beim Schutz von Kindern, deren Eltern in Sekten sind.

Bartenstein: "Erwachsene treten einer Sekte in der Regel freiwillig bei. Bei Kindern und Jugendlichen stellt sich durch die Mitgliedschaft ihrer Eltern diese Frage aber gar nicht. Beispiele zeigen, daß Eltern der Gehorsam gegenüber der Gruppierung wichtiger ist als das Wohl ihrer Kinder." Aufgabe der Sektenstelle werde es sein, Fälle zu dokumentieren, aufzuzeigen und Vorschläge für das Vorgehen von Behördern zu machen. Hier werde man vor allem mit der Kinder-und Jugendanwaltschaft zusammenarbeiten.

Müller will Daten, die öffentlich zugänglich sind, sammeln und sei auch daran interessiert, zu wissen, welche Personen in Sekten an führender Stelle tätig sind. Es sei aber nicht Aufgabe der Sektenstelle, eine Datei von Sektenmitgliedern anzulegen, betonte Bartenstein. Es gehe nicht um die Analyse von Personen, sondern von Organisationen, versprach Müller - die bestehenden Beratungsstellen hätten derzeit nicht die Mittel, den Überblick zu behalten. (red, APA)


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