FOREF Kommentar


Es ist ein Skandal:
Für Toleranz kein Geld  aus der Staatskasse!


Die österreichische Anti-Defamation League (ADL) bietet Trainingsprogramm für Toleranz an. Um aber weitere Trainer anzulernen, bräuchte es auch die finanzielle Unterstützung der österreichischen Regierung. Interessenten für das Training gebe es genug - von der Polizei über Richter und Arbeitsmarktservice bis hin zu Schulen. Die Ministerien bleiben jedoch stur. Weder das Außen,- das Innen,- das Justiz,- noch das Unterrichtsministerium ließen sich bis dato von den Appellen erweichen, dieses für Österreich durchaus notwendige ADL-Projekt zu unterstützen.

Sicher finden sich da viele kosmetische Argumente, warum unsere Regierung von einer Teilfinanzierung dieser NGO Abstand nehmen soll. Der angesagte Sparkurs kann nicht der wahre Grund für die Zurückhaltung in dieser Angelegenheit sein. Warum?

Die österreichische Bundesregierung hat nämlich durchaus genug öffentliche Gelder zur Verfügung, um die fragwürdige und international kritisierte Bundesstelle zur Bespitzelung religiöser Minderheiten (Datensammelstelle) Jahr für Jahr mit über fünf Millionen Schilling (fast 400.000 Euro) zu finanzieren.

Außerdem wurden in den vergangenen Jahren vom Familien- und Unterrichtsministerium Millionen in die Publikation und Verteilung einer "Anti-Sektenbroschüre" investiert, die international als "schwarze Liste" kleiner Bekenntnisgemeinschaften kritisiert wird. Betroffene Religionsgemeinschaften berichten, dass diese Broschüre wiederholt Anlass zur Stigmatisierung und Diskriminierung von Schülern gegeben hat.

Für populistische Zwecke haben einige Ministerien offensichtlich Geld. Es scheint keine Rolle zu spielen, dass dabei gegen wichtige Prinzipien unserer Bundesverfassung verstoßen wird: die Glaubens - und Gewissensfreiheit, die Neutralität des Staates in Glaubensangelegenheiten, das Gleicheitsprinzip und den Minderheitenschutz.

Auch wenn Toleranzerziehung  unpopulär ist und keine Wählerstimmen bringt, müssten wir trotzdem aus den Fehlern der Vergangenheit lernen! Sechs Milliarden Schilling, die Österreich  jetzt an die Nazi Opfer zahlen muss, sollten eigentlich für die Herren Bundesminister genug sein, um die folgende Lektion zu verstehen:

Hätte Österreich schon vor 70 Jahren ein Toleranztraining gehabt, könnten wir heute möglicherweise  diese Milliarden einsparen. 

Ein konkreter Vorschlag:

Die Wiener ADL-Direktorin Marta S. Halpert beziffert die Kosten für ein Drei-Jahres-Programm mit sechs Millionen Schilling (436.000 Euro). Es gäbe eine naheliegende und simple Lösung für die Finanzierung dieses Projektes (sogar ohne den derzeitigen Sparmaßnahmen der Regierung zu schaden):

Der jährliche Etat für die Datensammelstelle sollte einfach zur ADL umgeleitet werden. Dadurch würde nicht nur die Toleranzerziehung  gefördert; gleichzeitig wären damit auch eine der Ursachen von Diskriminierung beseitigt.

Die Geschichte lehrt es uns:

Heute ein paar Millionen Schilling für Toleranztraining könnte unseren Kindern und Enkelkindern Milliarden an Wiedergutmachungszahlungen ersparen - und viele andere Probleme.

Fragen & Kommentare an: webmaster@religionsfreiheit.at


Die Presse
15.11.2000


Aus Irrtümern lernen - Toleranztraining nach US-Vorbild

Österreichs Anti-Defamation-League veranstaltet Kurse zum Abbau von Vorurteilen. US-Botschafterin Hall mahnt Österreichs Regierung, dem Projekt finanziell beizustehen.


VON CLAUDIA DANNHAUSER

WIEN. Auch Kathryn Hall mußte sich drei Tage Zeit nehmen. Als sie US-Botschafterin in Wien wurde, hätte sie eigentlich schon wichtige Termine gehabt, erzählt sie.

US-Außenministerin Madeleine Albright habe aber gemeint, das sei wichtiger. Unter "das" verstand sie ein Toleranztraining, das die Botschafterin, wie alle anderen Mitarbeiter des State Departements, dann auch absolvierte.


Seit 15 Jahren gibt es ein eigens entwickeltes Programm der Anti-Defamation-League (ADL). In den USA ist diese Art der Aufarbeitung von Rassismus und jeder Art der Diskriminierung weit verbreitet. Unternehmen, FBI, Schüler oder Lehrer nehmen es in Anspruch. Seit drei Jahren gibt es auch in Wien ein ADL-Büro, das sich mit kleineren Projekten beschäftigte.


Heuer beschloß man aber - unter dem Eindruck der Regierungsbildung und der EU-Maßnahmen - mehr daraus zu machen. Im Sommer wurden die ersten acht Österreicher eine Woche in Chicago und New York als Trainer ausgebildet. Die Kosten übernahmen Austrian Airlines, die US-Botschaft und ADL.

Ergebnislose Gespräche

Um aber weitere Trainer anzulernen, bräuchte es auch die finanzielle Unterstützung der österreichischen Regierung. Interessenten für das Training gebe es genug - von der Polizei über Richter und Arbeitsmarktservice bis hin zu Schulen. Die Wiener ADL-Direktorin Marta S. Halpert beziffert die Kosten für ein Drei-Jahres-Programm mit sechs Millionen Schilling (436.000 Euro). Damit soll eine Koordinationsstelle unterhalten, sowie Ausbildung und Ausbildungsmaterialen finanziert werden. Man steht mit dem Außen-, dem Innen-, dem Justiz- und dem Unterrichtsministerium in Verbindung. Doch die Verhandlungen haben bisher zu keinem Ergebnis geführt.


Hall setzt sich daher erneut für das Projekt ein. Sie verbindet das Toleranztraining mit dem Thema der Entschädigungszahlungen für Arisierungen und meint: "Geld allein ist nicht alles. Wichtig ist die Lektion, die jemand aus der Vergangenheit lernt." Auch in den USA habe man durch das Programm aus Fehlern gelernt.


Die ADL ist bereits 1913 entstanden. Anlaß war die Lynchjustiz an einem Juden, der, wie sich herausstellte, unschuldig des Mordes beschuldigt worden war. Das konkrete Trainingsprogramm entwickelte man seit 1985, nach Unruhen in Boston.


Marion Wisinger und Herbert Langthaler, die an der Trainerausbildung teilnahmen, loben das Programm wegen der perfekten Kombination von Theorie und Praxis. Es werde mit Emotionen gearbeitet, aber auch mit theoretischen Grundlagen, es sei in Modulen aufgebaut und daher für viele Zielgruppen anwendbar.


Man beginnt mit dem Nachdenken über die eigene Identität, erzählt Wisinger: "Wie werde ich gesehen, wie sehe ich andere. Da kommt man auf viele Irrtümer drauf. Man fragt, was bedeuten Vorurteile, was können sie anrichten, wie würde ich als Betroffener damit umgehen." Dann beginne man, die Vorurteile bewußt zu verlernen. Es gehe dabei nicht nur um Rassismus, sondern auch um Behinderte oder das Verhältnis Mann/Frau. Gut sei, daß keine Ratlosigkeit zurückbleibe. "Man versucht die Dinge festzumachen und zu fragen, wie gehe ich damit um."


ADL Anti-Defamation League
1010 Wien, Spiegelgasse 21
Tel.:01/5137772