Zahlenspiele und gezielte Angstmache aus Müllers Sektenbüro

Gedanken zum Jahresbericht 2004
von

Hannes Roland


 

Jahr für Jahr beschwört Dr. German Müller, der Leiter der Bundessektenstelle in Wien, in seinem Jahresbericht ein stetiges Anwachsen des Aufklärungsbedürfnisses über Sekten herauf und er begründet damit vor dem Sozialministerium - unverständlich zwar, aber offenbar erfolgreich - die Fortdauer der Existenz der österreichischen Bespitzelungsstelle für neue religiöse Gruppen, wie die Bundessektenstelle gerne von vielen bezeichnet wird.

 

Im kürzlich vorgestellten Jahresbericht 2004 liest man von 2.600 Anfragen zu 316 Gruppen, und das sei, wie in diesem und den früheren Jahresberichten stets hervorgehoben wird, eine Steigerung jeweils zum Vorjahr. Geht man jedoch zurück zum Jahresbericht 2000 so lesen wir von nicht weniger als 3953 „fachspezifischen Kontaktaufnahmen“, also um ein sattes Drittel oder 1.353 mehr als 4 Jahre später.

 

Im Gegensatz zu Dr. Müller ortet der Betrachter hier keineswegs ein stetiges Anwachsen des Aufklärungsbedürfnisses seitens der Bevölkerung (und auch keine ständig steigende Sektengefahr) in Österreich sondern im Gegenteil einen markanten Rückgang um immerhin 33% in einem Zeitraum von vier Jahren.

 

Offenbar lassen sich Zahlen und Fakten mittels einer immer aufs Neue genährten Angstmache so weit in den Hintergrund drängen, dass sie nach einiger Zeit nur noch marginale Bedeutung haben und schließlich kaum mehr wahrgenommen werden. Es scheint zu genügen, dass gebetsmühlenartig immer und immer wieder mit Nachdruck auf eine ständig zunehmende Gefahr aufmerksam gemacht wird und schwups wird das dadurch geschaffene Schreckensgespenst in den Augen des Zuhörers immer größer, immer realer und immer bedrohlicher. Darauf scheinen sogar Ministerium und Minister hereinzufallen. Dem Betrachter fällt es angesichts solcher Vorgänge schwer, Assoziationen zu Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ zu unterdrücken. Sollten wir uns von diesem Spuk nicht schleunigst verabschieden, die Kirche im Dorf lassen und auf den Boden der Realität herunter kommen?

 

Wann beginnt Österreich - wie das Deutschland schon vor Jahren gemacht hat – endlich, eine unabhängige Kommission ins Leben zu rufen, die die tatsächlichen Fakten und Zahlen erhebt und nach diesen urteilt, nicht danach, wer die Angst besser zu schüren vermag?

 

Wenn Dr. Peter Schulte, der Leiter von Kult & Co Tirol, in seinem Aufsatz Theorie und Praxis staatlicher „Sektenaufklärung“ und die Notwendigkeit zusätzlicher wissenschaftlicher Expertise zu dem Schluss kommt: „Die wissenschaftliche Forschung in Österreich zu Fragen der so genannten Sekten und Psychogruppen ist alles andere als zufriedenstellend, es gibt sie nicht“, dann wirft das die Frage auf: Auf welcher Basis wird in unserem Land eigentlich aufgeklärt?

 

Themenverwandte Links:
 

Link: SPIRITA Online - Zeitschrift für Religionswissenschaft:
Peter Schulte: "Fair und tolerant sein." Zur gegenwärtigen Situation von Informations- und Beratungsstellen in Bezug auf so genannte Sekten und Psychogruppen in Österreich. Ein Bericht.
 

Link: http://www.religionsfreiheit.at/pruefe.htm



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