Horizonterweiterung in unsicheren Zeiten
 

Der New-Age Bewegung der Achtziger Jahre ist es gelungen, dem Thema Esoterik Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Plötzlich waren transzendentale Musik und Sphärenklänge wieder salonfähig; Räucherstäbchenduft hing süßlich in den Wohnzimmern und indianische Traumfänger über den Betten.

Doch was ist davon übrig geblieben? Welches Bild hat die heutige Multimedia- Gesellschaft von Esoterikern und denen, die sich mit Magie, Astrologie und Karten legen in ihrer Freizeit oder professionell beschäftigen? Gläser rücken ist als Stimmungsmacher auf langweiligen Partys nie wirklich aus der Mode gekommen. Aber schaffen es Mystery-Serien im Fernsehen, das Bewusstsein für Übernatürliches langfristig zu wecken?

Ist der Glaube an Geister in der technisierten Welt der Massenmedien abhanden gekommen? Welche esoterischen Praktiken werden noch rege ausgeübt?


sozioland wollte diesem Thema auf den Grund gehen und führte von Ende Mai bis Anfang November eine Umfrage über Mystery und Esoterik durch. Über 4.000 Personen beteiligten sich, dabei entstand ein breit gefächertes Meinungsbild über Gott, das Schicksal und die Existenz von Geistwesen.

Die Suchenden
Die Hälfte aller Befragten ist überzeugt, dass Esoteriker keine Spinner sind, sondern ihr Bewusstsein erweitern möchten. Sie sind auf der Suche nach Halt in unbeständigen Zeiten. Einzig ein Viertel der männlichen Befragten ist der Meinung, dass jemand, der sich mit Karten legen und Magie die Zeit vertreibt „nicht mehr ganz echt im Kopf“ sein kann.

It´s Magic
Die interessantesten Bereiche der Esoterik sind, nach der Meinung der Befragten, Magie (37%), alternative Heilmethoden (32%), und Astrologie (30%). Zu beachten ist, dass Magie und vor allem Astrologie größtenteils nur von Frauen angewendet werden.

45% der weiblichen Teilnehmerinnen gaben an, dies ausprobiert zu haben, derweil sind nur 25% der befragten Männer mit diesen Geheimnissen vertraut. Deren Interessengebiet erstreckt sich größtenteils auf Parapsychologie.

Es ist jedoch problematisch, für den Begriff Magie eine einheitliche Definition zu finden. Oft werden Zufallsbegegnungen oder Déjà-vu-Erlebnisse schon als Magie bezeichnet, wo andere vielleicht eher von Schicksal sprechen würden. Magie bedeutet also nicht immer eine direkte praktische Anwendung, wie z.B. die Herstellung von Tränken, Voodoozauber etc., sondern dient vielfach dazu, Unerklärliches in den Bereich des Fassbaren zu transferieren.

Karten Legen und Träume deuten
Bei der Frage nach der Anwendung esoterischer Techniken fällt zunächst auf, dass die männlichen Befragten sich primär nur theoretisch mit Esoterik beschäftigen. Die Bereitschaft, das Hobby Esoterik aktiv aufzunehmen, ist hier deutlich geringer als bei den weiblichen Teilnehmerinnen. Auf männlicher Seite gab fast die Hälfte an, keinerlei esoterische Techniken zu nutzen.
Ganz hoch oben auf der Liste stehen dagegen das Legen von Tarot-Karten und die Traumdeutung.

Der Anwendung des Tarots, einer sehr alten Tradition des Karten Legens, obliegt es, mithilfe der gezeigten Symbole Ereignisse im zukünftigen Werdegang eines Menschen vorauszusehen und zu deuten.

Die auf Sigmund Freud zurückgehende Traumdeutung hat die Aufgabe, Traumgeschehnisse in der Realität zu reflektieren. Dadurch ist es möglich, bestimmte Ereignisse sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Zukunft, intuitiv zu erklären und Rückschlüsse auf die eigene Persönlichkeit, Begierden und Gefühle zu gewinnen.

Esoterik als Ergänzung des Lebens
Da die Beschäftigung mit Magie, unerklärlichen Phänomenen und alternativen Heilmethoden in der Gesellschaft immer noch ein ungewöhnliches Thema darstellt, war es interessant nachzufragen, inwieweit dieser Umgang das bisher Leben verändert hat.

So gaben 40% der Befragten an, dass dieses Hobby keinerlei gravierende Einflüsse auf ihr Leben habe. Etwas mehr als ein Viertel der TeilnehmerInnen sprach dagegen von kleineren Veränderungen „im Hinblick auf den Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen“.

Gott ist Definitionssache
Da Gott als Begriff vielfältig interpretierbar ist, definieren die meisten Befragten Gott und ihren Glauben ganz individuell. Man kann Gott wie im Christentum als einen Allmächtigen Schöpfer sehen.

15% der TeilnehmerInnen bekannten sich zu diesem Glauben. Auffällig ist, dass nur 20% der Katholiken und Protestanten dieses Gottesbild aufgreifen.

Der überwiegende Teil der Befragten (33%) glaubt an Gott als Person, unabhängig von der Darstellung im Christentum. Wie genau dieses Gottesbild aussieht, ist jeweils individuell unterschiedlich.

Möglich ist auch eine Begriffsdefinition nach Platon, in der eine nicht personifizierte Allmacht als Ur-Ursache hinter allem Leben steht. Diese höhere Macht oder Idee hat nun aber keinerlei Einflussmöglichkeiten auf irdisches Geschehen, und findet sich so auch im Buddhismus. 18% der Befragten fallen in diesen Rahmen.

Durchschnittlich 18% halten die Existenz Gottes oder einer höheren Macht für völlig ausgeschlossen und würden folgenden Kommentar vorbehaltlos unterschreiben: „Der größte Hochstapler aller Zeiten schafft es, die Menschen stets hinters Licht zu führen. Geschehen Wunder, heißt es, Gott hat es vollbracht. Sterben tausende von Menschen bei einem Unglück, ist nicht Gott schuld, denn seine Wege sind ja unergründlich.“

Zufall oder Schicksal
Eng verknüpft mit der Frage nach Gott bzw. einer höheren Macht, ist der Glaube an die Vorherbestimmung des Lebens, dem Schicksal.

50% der Befragten sind der Meinung, dass der Lebensweg zwar an das Schicksal gebunden ist, dass jedoch der Einzelne die Möglichkeit hat, durch individuelle Entscheidungen sein Schicksal zu beeinflussen. Eine Befragte drückte dies wie folgt aus: „Bestimmte Punkte im Leben sind vorherbestimmt, es gibt jedoch viele Wege dorthin zu gelangen.“

Unter den TeilnehmerInnen finden sich 15%, welche die Vorherbestimmung des Lebens völlig ausschließen. Dadurch werden Glück wie Unglück als nicht gegeben angesehen, sondern als vom Zufall beherrscht.

Die letzte Konsequenz daraus ist, dass „jeder für sein Handeln - unter dem Deckmantel des Zufalls - selbstverantwortlich ist, und den Grund für Schicksalsschläge bei sich selbst suchen muss“.

Forderung nach mehr Toleranz im Umgang mit alternativen Heilmethoden

Trotz erheblicher Fortschritte in der wissenschaftlichen Allgemeinmedizin sind alternative Heilmethoden in den letzten Jahren immer gefragter geworden.

Mehr als zwei Drittel der Befragten sind überzeugt, dass einige Krankheiten schneller und gezielter auf alternativem Wege behandelt werden können. Das gilt vor allem bei seelischen Beschwerden oder psychosomatischen Erkrankungen, wie etwa durch Stress ausgelöste Magenschmerzen.

Die TeilnehmerInnen plädieren vehement für eine Gleichbehandlung der gängigen Schulmedizin und alternativen Heilmethoden. „Nur wer beides kombiniert, kann das menschliche Wissen über die Heilung von Krankheiten gezielt und effektiv einsetzen“.

"Jede Seele ist unsterblich; denn das Stestbewegte ist unsterblich"

Die Frage nach der menschlichen Seele und ihrem Verbleib nach dem Absterben des Körpers stellte sich der griechische Philosoph Platon in seinem Dialog Phaidon bereits vor 2.300 Jahren. In dieser Schrift führt Platons Lehrer Sokrates kurz vor seiner Hinrichtung aus, warum die Seele unsterblich ist.

Für ihn bilden Leben und Tod einen ewigen Kreislauf, in dem das eine in das andere übergehe. Wenn auch die meisten Befragten vielleicht nicht direkt mit Platons Idee der Unsterblichkeit der Seele vertraut sind, so glaubt doch eine Mehrheit von 35% an eine Wiedergeburt der Seele. Knapp 15% sind dagegen überzeugt, dass die Seele entweder in Himmel oder Hölle wandert, zu einem Geist wird, oder mit dem Körper stirbt.

All diese Gedanken sind jedoch wiederum davon abhängig, wie man den Begriff „Seele“ definiert. Vor dieser Schwierigkeit stand bereits Platon, der die Seele in drei Teile aufspaltete. Es bleibt also zunächst zu klären, ob das Bewusstsein und damit die individuelle Persönlichkeitsstruktur Teil der Seele sind, die wiedergeboren wird. Oder bleibt, wie bei Platon, nur ein Grundgerüst übrig, welches sich dann wieder in einem anderen Körper manifestiert?

Ein Viertel der männlichen Teilnehmer stellen sich diese Fragen, überhaupt nicht. Sie sind der Meinung, dass es gar keine Seele gibt.

"Das Herz entscheidet wen wir lieben, ...

…nicht die Sterne!“. Eine deutliche Aussage, der nur 10% der Befragten widersprechen würden.
Es ist zwar üblich, in Horoskopen Informationen zum Liebesleben und zur Partnerwahl zu erhalten, aber nur wenige Menschen handeln auch danach.

Für 15% gibt das Horoskop brauchbare Angaben, nach denen sie sich manchmal richten. Zumeist sind die Vorhersagen aber viel zu allgemein gehalten, um eine Hilfe bei der Suche nach dem Partner darzustellen.

Mehr als drei Viertel der Befragten sind überzeugt, dass „die Frage nach der wahren Liebe nur mit dem Herzen beantwortet werden kann“.

Dichtung und Wahrheit
Sie erscheinen in unzähligen Manifestationen: Geister oder (über)natürliche Erscheinungen, mal als Helfer, mal als Unglücksboten.

Oder gibt es sie doch nicht? Sind diese Erscheinungen vielleicht nur Streiche, die uns das Gehirn oder die Natur vorspielen?
Nirgendwo herrscht soviel Unschlüssigkeit wie bei der Frage nach der Existenz von Geistwesen. 47% der Befragten halten ihre Erscheinung nicht für ausgeschlossen.

Die einen sagen, „Geister sind ein fester Bestandteil der Natur und deshalb auch nicht übernatürlich“, die anderen halten das für „völligen Blödsinn und Wichtigtuerei“.

Paul is dead - oder doch nicht?
Verschwörungstheorien waren schon immer fester Bestandteil der menschlichen Gesellschaft.

Hochkonjunktur haben derzeit vor allem Theorien mit klerikalem Hintergrund, in denen verschiedene kirchliche Dogmen angezweifelt werden. Den Trend dazu leitete u.a. der Bestseller „Sakrileg“ von Dan Brown ein.

Fakt ist: Da wo Abläufe in der Geschichte im Dunkeln liegen oder sich Zweifel an der allgemeinen Darstellung finden, entstehen leicht die abstrusesten Erklärungsversuche.

So etwa bei der Mondlandung der US-Raumfähre Apollo 11 im Jahre 1969, von der behauptet wird, sie wäre in einem Filmstudio inszeniert worden. Viele der Vorwürfe wurden zwar widerlegt, doch nur die Hälfte der Befragten ist überzeugt, dass es sich nicht um eine Inszenierung handelte.

Für noch wahrscheinlicher halten die TeilnehmerInnen die Spekulationen um den 11. September. Unklare Beweislagen und der unbedingte Wille der amerikanischen Regierung gegen die Regime in Afghanistan und Irak vorzugehen, lassen 65% in dem Glauben, es handele sich bei den Anschlägen um eine Inszenierung der USA.

Jeder kennt die Bilder des eingequetschten Wagens in dem Lady Di starb. Aber kam sie wirklich durch einen Autounfall ums Leben. Drei Viertel der Befragten sind überzeugt, dass es sich dabei nicht um einen Unfall, sondern um Mord handelte.
Ein weiterer populärer Fall ist der des Ex-Beatle Paul McCartney.

Zahlreiche, mehr oder weniger schlüssige Hinweise in Song-Texten oder auf Plattencovern sollen beweisen, dass McCartney 1966 bei einem Autounfall starb und durch einen Doppelgänger ersetzt wurde. Nun lässt sich über die Qualität seiner Musik nach der Auflösung der Beatles sicherlich streiten, doch lassen die Behauptungen von Paul´s Tod die Befragten unbeeindruckt. 85% denken, diese Geschichte sei totaler Humbug.

Die Unklarheiten um den Terroranschlag am 11.September 2001stehen stellvertretend als Symbol für die unsicheren Zeiten des 21. Jahrhunderts und den Herausforderungen vor denen die Menschheit im neuen Jahrtausend steht. Und egal, ob ein Mensch nur glaubt was er sieht, oder nach Höherem strebt: Es gibt nur eine Erde. Wir sollten sie gemeinsam gestalten.